Foto: Peter Esser
Welche Erfahrungen habe ich im Bundesfreiwilligendienst (BFD) gemacht? Was nehme ich mit - für mich persönlich und beruflich? Wie geht mein Weg weiter? Mit solchen Fragen haben sich rund 30 Freiwilligendienstleistende der Caritas vor einigen Tagen im Eichstätter Priesterseminar bei einem Reflexionstag über den Dienst auseinandergesetzt. Vom Caritasverband führten BFD-Bildungsreferentin Sarah Strasser und BFD-Koordinator Jakob Streller durch den Tag. Der stellvertretende Caritasdirektor, Andreas Steppberger, verabschiedete zudem 20 Frauen und Männer, die in den nächsten Wochen ihren Dienst beenden - und überreichte ihnen zum Dank eine Caritas-Tasse mit der Aufschrift "Ohne Liebe ist alles nichts". Caritaspräses Dompropst Alfred Rotter gestaltete mit den Beteiligten zudem einen Wortgottesdienst im Innenhof der Caritas-Zentrale zum Thema "Andere stärken - Stärkung erfahren".
Ganz überwiegend zufrieden
Sowohl ein Stimmungsbarometer als auch ein Mentimeter, in dem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer spontan übers Handy eine Wortwolke erstellten, ergaben, dass die Freiwilligendienstleistenden ganz überwiegend mit Ihrer BFD-Zeit zufrieden sind. "Team", "Freude", "Erfahrungen", Wertschätzung", "Austausch" und "Helfen" erschienen als dominierende Begriffe in der Wortwolke. Auf Papierhänden, die für ihr Engagement stehen und zusammen auf eine Kartonwand geklebt wurden, beschrieben viele näher ihre Eindrücke: "Meine Kollegen haben mir gut geholfen", "Jetzt kann ich anderen die Hand reichen" oder "Das Ende meines BFD ist der Anfang meiner Karriere bei Ihnen" war dort unter anderem zu lesen.
Gentiana Maliqi aus dem Kosovo glaubt, ihre Berufung in der Altenpflege gefunden zu haben.Foto: Peter Esser
In Arbeitsgruppen erzählten sich die Beteiligten ausführlich gegenseitig ihre Erfahrungen. Die 22-jährige Gentiana Maliqi aus dem Kosovo, gehört zu jenem Drittel aller knapp 50 Freiwilligendienstleistenden bei der Caritas im Bistum Eichstätt, das aus anderen Ländern kommt. Sie leistet ihren Dienst im Caritas-Seniorenheim St. Pius in Ingolstadt. Ihr Dienst ist vielfältig. Gentiana Maliqi wäscht und duscht pflegebedürftige Menschen, geht mit ihnen zur Toilette und begleitet sie auch beim Sterben. Sowohl den BFD-Verantwortlichen beim Caritasverband als auch den Leitungskräften im Seniorenheim ist sie dankbar, "dass sie mir die Tür für den Dienst geöffnet haben".
Etwa ein Viertel der BFDler pro Jahr bleibt laut der Caritas dem Verband nach Abschluss des Dienstes erhalten. Dazu gehört auch die junge Frau aus dem Kosovo. Im September startet sie in St. Pius die dreijährige Ausbildung zur Pflegefachfrau. "Ich möchte mit Menschen arbeiten, insbesondere mit alten Leuten, von denen man viel lernen kann", glaubt sie, ihre Berufung gefunden zu haben. Sie kann sich vorstellen, später sowohl in Deutschland als auch in ihrem Heimatland zu arbeiten.
Viktor Litz präsentierte seine Gedanken und Erfahrungen zum Begriff „Pflege“.Foto: Peter Esser
"Der Betriff Pflege hat eine ganz andere Bedeutung": Das hat Viktor Litz auf ein Plakat nach seinem Austausch in einer Arbeitsgruppe geschrieben, das er allen Beteiligten präsentierte. Er leistet seinen BFD im Erwachsenenwohnheim St. Anna des Caritas-Zentrums St. Vinzenz für Menschen mit Behinderung in Ingolstadt. "Viele Leute denken, wir würden uns dort nur mit den Bewohnerinnen und Bewohnern unterhalten. Dabei ist es eine körperlich wie psychisch anstrengende Arbeit", stellte Viktor Litz klar.
Gehörlose Frau beteiligt
An dem Reflexionstag im Priesterseminar nahm auch die gehörlose Claudia Schneider teil, die mit den Gebärdensprachdolmetscherinnen Marion Rexin und Kathleen Entrich angereist war. Die 57-jährige gehörlose Frau beendet in diesen Wochen ihren Bundesfreiwilligendienst in der Einrichtung von Regens Wagner in Zell bei Hilpoltstein. Sie kommt aus Wiesbaden, fand in Hessen aber keine Möglichkeit, einen BFD anzutreten. Bei Regens Wagner in Zell hatte es dann zum 1. September vergangenen Jahres geklappt. Mit 55 wurde Claudia Schneider bei der Deutschen Telekom in den Vorruhestand verabschiedet. Voraussetzung war, dass sie noch ein soziales Jahr absolviert. Diese hat sie nun Ende August erfüllt.
Die gehörlose Claudia Schneider (Mitte) unterhielt sich per Gebärdensprache über ihre Dolmetscherin Marion Rexin (rechts) mit einer anderen Bundesfreiwilligendienstleistenden.Foto: Peter Esser
Claudia Schneider war bereits taub geboren worden. "Es ist wahrscheinlich, dass mir meine Eltern dies vererbt haben. Sie sowie mein Bruder sind auch gehörlos. Da sie auf eine Gehörlosenschule ging, war es für sie lange Zeit ganz normal, als gehörloser Mensch aufzuwachsen. Erst als sie eine Ausbildung zur Zahntechnikerin absolvierte "hatte ich auf einmal ganz viel Kontakt mit hörenden Menschen. Da stieß ich am Anfang auch auf viele Barrieren", erzählte Claudia Schneider in Gebärdensprache, woraufhin ihre Gebärdensprachdolmetscherin Kathleen Entrich ihre Worte übersetzte.
In ihrem Bundesfreiwilligendienst arbeitet sie in der Tagespflege für Menschen, die ebenfalls zum Großteil gehörlos sind. "Die meisten sind sofort zu mir gekommen, weil sie überrascht waren, dass ich schon die Gebärdensprache konnte. Das war wirklich von Vorteil und sehr schön für mich", erklärte die Freiwilligendienstleistende. Unter anderem hilft sie den Betroffenen beim An- und Ausziehen, begleitet sie zur Toilette, geht mit ihnen spazieren, macht mit ihnen verschiedene Beschäftigungsspiele, bringt Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer zur Krankengymnastik und organisiert den Haushalt.
Dass ihr Dienst in Kürze endet, macht sie durchaus wehmütig. "Der Bundesfreiwilligendienst gehört zu den schönsten Zeiten in meinem Leben", so Claudia Schneider. Gerade nach einer Ausbildung und einem Beruf in anderen Bereichen "habe ich so richtig meine Bestimmung gefunden, mit Menschen mit Behinderung zu arbeiten". Dennoch freut sie sich nun auf den Ruhestand.